Grußwort zur Tagung Leben pur 2007 - Schlaf

Karin Evers-Meyer
Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen

Sehr geehrte Damen und Herren,
als Schirmherrin dieser Tagung möchte ich Sie alle hier sehr herzlich begrüßen. Sie haben sich hier zusammengefunden unter der Überschrift "Was bedeutet die Nacht für Menschen mit schwersten Behinderungen?"
In den letzten beiden Jahren war das Thema ja "Ernährung für Menschen mit schwersten Behinderungen" und den Blickwinkel der Lebensqualität führen Sie nun zum Thema Nacht - Schlafen - Träumen fort. Sie bringen hier Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen, Therapeuten sowie betroffene Menschen und deren Eltern und Angehörigen zusammen. Mir hat dieser Blickwinkel der Lebensqualität sehr gut gefallen, und ich freue mich, dass Sie ihn nun auf einen weiteren Lebensbereich ausdehnen.
Es ist wichtig, dass es die Stiftung Leben pur gibt. Es ist gerade auch für meine Arbeit wichtig. Damit ich bei der Arbeit, die ich im Interesse der behinderten Menschen mache, niemals vergesse, dass es nicht nur um "Bedarfsdeckung" geht, nicht nur um "Verrichtungen". Sondern eben als letztes, als wichtigstes Ziel, immer um Lebensqualität.
Natürlich ist für mich auch die Bedarfsdeckung ganz wichtig. Es ist für mich erst einmal wichtig, dafür zu sorgen, dass behinderte Menschen und die Menschen, die mit ihnen zusammenleben, vom Staat und der Versichertengemeinschaft die notwendige Unterstützung bekommen, ausreichende Pflegeleistungen zum Beispiel.
Ich habe im letzten Jahr dazu einen Arbeitskreis für eine teilhabeorientierte Pflege ins Leben gerufen und dazu die Verbände der Selbsthilfe behinderter Menschen und die Verbände der Wohlfahrtspflege eingeladen. Wir haben ein viel beachtetes Abschlusspapier erarbeitet, in dem wir Empfehlungen formulieren für eine Pflege, die Teilhabe für behinderte Menschen ermöglicht. Wesentliche Forderungen in diesem Papier sind zum Beispiel der Ausbau der ambulanten Versorgung, flexiblere und mehr am Bedarf verschiedener Gruppen orientierte Angebote (z. B. für Kinder) und die Verbesserung der Leistungen, die Familien entlasten.
Wir wollen eine bessere Vernetzung aller Angebote und wir wollen vor allem das Persönliche Budget fördern und weiterentwickeln. Ich bin überzeugt davon, dass das Persönliche Budget das Modell der Zukunft ist, vor allem, weil es behinderten Menschen und denen, die mit ihnen zusammenleben, ermöglicht, selbst zu definieren, wie sie leben wollen, das heißt, welche Unterstützungsleistungen zu welcher Zeit und von wem sie erhalten. Wenn das Budget funktioniert, werden sich für jeden Budgetnehmer Freiräume ergeben, die darauf warten, gefüllt zu werden. Gefüllt zu werden mit Leben.
Wie ich schon bei meinem letztjährigen Grußwort zum Thema Ernährung sagte, wir Menschen ohne Behinderung ernähren uns auch oft schlecht oder schlingen das Essen gedankenlos hinunter, anstatt es mit Genuss zu verzehren - aber wir können uns das aussuchen. Das gleiche gilt für das Schlafen. Ob ich den Tag geruhsam mit einem lieben Menschen ausklingen lasse, ob ich arbeite, bis ich umfalle oder vor dem Fernseher sitze, ich kann darüber bestimmen. Menschen mit hohen Assistenzbedarfen können dies eben nicht, sie sind darauf angewiesen, dass die notwendige Unterstützung zur rechten Zeit vorhanden ist. Umso wichtiger ist es, dem behinderten Menschen so viel wie möglich von dieser Entscheidung zurückzugeben. Es ist beeindruckend, mit welchem Stolz und welcher Zufriedenheit zum Beispiel ein Mensch mit Mehrfachbehinderung davon erzählt, dass seine Assistenz jetzt so organisiert ist, dass er selbst bestimmen kann, wann der Assistenzdienst kommt und ihn beim Anziehen unterstützt. Das war für diesen jungen Mann ein ganz entscheidender Zuwachs an Lebensqualität.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine produktive - aber natürlich auch genussvolle - Tagung und bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse.

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