Grußwort zur Tagung Leben pur 2009 - Kommunikation

Werner Tiki Küstenmacher
Autor, Karikaturist und evangelischer Pfarrer

Grußwort Tagung Leben pur 2009 - Werner Tiki Küstenmacher
Grußwort Tagung Leben pur 2009 - Werner Tiki Küstenmacher

Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank, dass Sie mir die Schirmherrschaft übertragen haben für diese Veranstaltung. Ich fühlte mich sehr geehrt, denn hinter der Schirmherrschaft steckt eine sehr alte Idee: Der Schirmherr hält schützend seinen Schild über eine Gruppe, ein Ereignis oder, wie hier, eine Veranstaltung. Das ist manchmal sein persönlicher Schutzschirm, also sein guter Name, seine Person. Oder der Schutz einer größeren Gemeinschaft, einer höheren Macht. Deswegen nimmt man als Schirmherrn oder Schirmherrin gern den Ministerpräsidenten, die Landrätin, den Bürgermeister, weil durch sie, so hofft man, der Schutz des Staates anwesend ist.
Mit mir haben Sie einen evangelischen Pfarrer angeheuert und ich hoffe, dass das Absicht war - damit, so heißt es in der Bibel immer wieder, "der Schirm des Höchsten" anwesend ist. Den Segen Gottes hätten Ihre Veranstaltung und Ihre Arbeit natürlich auch ohne mich. Aber es ist immer gut, wenn ein Mensch ganz persönlich und deutlich um diesen Segen bittet, und das will ich am Ende meiner kleinen Rede gern tun.
"Leben pur" hat eine wichtige Doppelbedeutung. Die Menschen mit schweren Behinderungen, die ständig und vollständig angewiesen sind auf Hilfe und Verständnis ihrer Mitmenschen, diese Menschen beschenken uns. Das ist auf den ersten Blick schwer zu verstehen, vor allem für Menschen, die nicht täglich damit befasst sind.
Ich möchte das mit einem Bild erklären, dass ich immer wieder zeichne (deshalb werden es einige von Ihnen schon kennen, aber es passt einfach so gut hierher): Ein Pferd, das nicht angebunden frei auf einer großen, saftigen Wiese steht. Trotzdem schaut es unglücklich drein. Weil es sich ausgerechnet einen Platz zum Fressen ausgesucht hat, auf dem nichts mehr wächst. Der Grund: Es ist ein Zirkuspferd, das gewöhnt ist, in der Manege im Kreis zu laufen, und so einen Kreis hat es sich im Lauf der Zeit runtergetrampelt.
Das ist unsere Situation, wenn wir in einer Krise sind. Wir bekommen einen Tunnelblick. Wir sehen nur das Problem, den Mangel. Das, was nicht mehr da ist - oder bald nicht mehr da ist. Das gibt es im Leben jedes Einzelnen, das erleben wir zur Zeit auch kollektiv. Dabei wäre die Lösung so einfach: Heb den Kopf! Schau, wo noch etwas wächst! Sieh auf die Guthabenseite deines Lebens!
In einer schweren Existenzkrise bedeutet das zum Beispiel, zu erkennen: Ich lebe noch. Es gäbe ja durchaus Krisen, in denen das nicht mehr der Fall ist. Ich lebe noch - das kann man übersetzen mit: Leben pur. Das ist die Gewissheit in jeder Krise: dass es Leben gibt. Dass wir uns etwas verdanken, das größer ist als wir. Das ist der Kern von "simplify your life": dankbar sein für das, was wir haben. Merkwürdigerweise ist diese Dankbarkeit in einer echten Mangelsituation, in einer wirklichen Not, in einer existenzbedrohenden Krise, in einem schweren Leben eher sichtbar als im Wohlstand.
Das ist es, was ich lernen möchte von jedem Behinderten, Schwerbehinderten, Armen, Kranken, ja sogar von den Verzweifelten, von denen, die am Ende sind: das pure Leben.
Um das zu lernen, ist es wichtig, sich verständigen zu können. Um dieses Thema wird es bei Ihnen die nächsten eineinhalb Tage gehen. Dazu wünsche ich Ihnen, wie am Anfang versprochen, Segen. Den Segen des Schöpfers des Lebens. Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Veranstaltung Segen bringt für alle, die daran beteiligt und betroffen sind. Segen, das heißt: Etwas wächst, das wir nicht nur selbst erarbeitet haben, sondern etwas, das wir geschenkt bekommen. Etwas, das größer ist als wir selbst.

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